Antrittsvorlesung von Holger Ehrhardt in Kassel
(Stiftungsprofessur Werk und Wirkung der Brüder Grimm)
(Grimmforum, 6. Juli 2012)

Als Grimm-Stiftungsprofessor hielt Holger Ehrhardt am 2. Juli 2012 in Kassel seine Antrittsvorlesung, wie die Kasseler HNA berichtet: http://www.hna.de/nachrichten/kultur/kultur-lokal/duesteres-auftakt-2376779.html
Die Antrittsvorlesung hatte das Thema "Zur Rezeption der Brüder Grimm im Nationalsozialismus". Die HNA fasst zusammen:

HNA schrieb:Ehrhardt nahm es auf sich, die festliche, positiv gestimmte Atmosphäre vorübergehend zu trüben. Das Werk der Grimms und dessen Wirkung sei eigentlich „nicht erforscht“, sagt Ehrhardt selbstbewusst, ein großer Teil des Nachlasses überhaupt nicht erschlossen und aufgearbeitet.
Das gelte auch für ein düsteres Kapitel der deutschen Germanistik: Die Indienstnahme der Grimms für die rassisch-völkische Gedankenwelt des Nationalsozialismus. Es konnte einem der Atem stocken angesichts des „Schreckenskabinetts“ an Aufsätzen, mit dem Ehrhardt die tiefe Verstrickung mancher Germanisten in die Blut-und-Boden-Ideologie deutlich machte. Da wurde aus den Märchen der vermeintlich heldische Gehalt herausgelesen, der Kampfeswillen, Kraft und Zähigkeit befördere, da wurden die Grimms gewürdigt, zur „Erweckung des Rassegedankens“ beigetragen zu haben. Grimm-Forscher Wilhelm Schoof hätte, so Ehrhardt, mit Jacob Grimm auch noch gerechtfertigt, wenn Himmlers SS-Truppen die Innere Mongolei besetzt hätten.
Es war aber möglich, sich der Vereinnahmung zu entziehen, als Forscher auch im Dritten Reich widerständige Sätze einzuschmuggeln, wie Ehrhardt belegte. Dass man die Grimms ganz anders lesen konnte, zeigte auch sein Hinweis auf Carl Zuckmayer, der im Exil in den USA zu den Brüdern griff: aus Sprach-Heimweh.

(siehe auch http://www.uni-kassel.de/uni/universitaet/nachrichten/article/brueder-grimm-stiftungsprofessur-antrittsvorlesung-von-dr-holger-ehrhardt.html)

Berthold Friemel, 6. Juli 2012

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