Krakau: Wörterbuch-Exemplar Jacob Grimms
(Grimmforum, 15. Februar 2006)

Zu Probescans aus Jacob Grimms Handexemplar des „Deutschen Wörterbuchs“ (wie im Fall des anderen, vor zwei Tagen vorgestellten zweiten Exemplars handelt es sich um die erste Lieferung von 1852, A bis ALLVEREIN) folgt hier eine erste Auswertung von Alan Kirkness, die dieser übersandt hat und die wir mit Bildern von zwei Spalten illustrieren. Im Unterschied zu dem anderen Exemplar handelt es sich hier beim Drucktext um die im Buchhandel erschienene Endfassung, zu der Jacob Grimm nachträgliche Zusätze notierte. Die insgesamt sieben Bände von Jacob Grimms Exemplar haben die Signaturen Libri impr. c. n. mss. 2° 35—41.

Jacob Grimms Handexemplar der ersten, von ihm bearbeiteten Lieferung des „Deutschen Wörterbuchs“ (Spalten 1—240, Stichwörter A bis ALLVEREIN) weist auf jeder Seite Zusätze und Nachträge auf. Auf mancher Seite ist nicht nur der eigens dafür vorgesehene breite Rand voller Notizen, sondern ebenfalls auch die anderen Ränder, und häufig finden sich weitere Notizen zwischen den Zeilen des gedruckten Textes. Alle Notizen stammen ausnahmslos von Jacob Grimm. Es handelt sich in erster Linie um zusätzliche Textbelege mit Belegstellenangaben, z. B. aus Hans Sachs, und um von ihm selbst verfaßte kurze Beispieltexte. Hinzu kommen nachgetragene Angaben zur Bedeutung und zur Bedeutungsentwicklung und / oder zur grammatischen Verwendung bestimmter Stichwörter sowie Querverweise auf bereits bearbeitete und noch zu erarbeitende Stichwörter. Darüber hinaus nimmt Jacob Grimm ca. 330 ganz neue, durch Versalien kenntlich gemachte Stichwörter auf, die unten aufgelistet und kurz kommentiert werden (die Liste dieser Stichwörter wird ebenfalls hier im Grimmforum zugänglich gemacht).

Zur Illustration wird hier zunächst Spalte 45 (ABGEBUNG und ABGEHEN) abgebildet und kurz kommentiert. Oben werden zwei neue Stichwörter in Versalien nachgetragen, ABGEFEIMT und ABGEFÜHRT, beide nur mit einem Verweis versehen.
Am schmalen Bugrand werden zahlreiche Belege mit Belegstellenangaben zum Stichwort ABGEHEN hinzugefügt. Auf der oberen Hälfte der Spalte werden einige weitere Belege und zwei Textbeispiele zwischen den Zeilen des gedruckten Textes nachgetragen. Am unteren Rand, unterhalb der beiden Spalten 45 und 46, finden sich noch zahlreiche Textbeispiele ohne und Textbelege mit Belegstellenangaben. Die Belege sind sowohl Wörterbüchern als auch literarischen Quellen entnommen, wobei die meisten aus frühneuhochdeutscher Zeit stammen, z. B. Keisersberg und Hans Sachs. Die genaue An- und Zuordnung der Beispiele und Belege bleibt völlig unklar, denn nirgends gibt Jacob Grimm an, wo sie in den Text zu integrieren wären.

Sodann wird Spalte 175 (ACKERRAIN—ADAM) abgebildet. Am breiten Rand links der Spalte werden sechs neue Stichwörter nachgetragen, am Rand unten noch ein weiteres. Die substantivischen Stichwörter werden durch die Angabe m. oder f. grammatisch bestimmt; ggf. durch ein lateinisches (ACKERZEILE) oder ein deutsches (ADAMAST) Interpretament semantisch erklärt; und entweder mit einem Beleg oder einem Stellennachweis versehen. Unklar ist, ob das ebenfalls am linken Rand nachgetragene ackerschwein als Stichwort gilt oder nicht. Zwischen den Zeilen des Textes wird nur einmal ein Stellenhinweis hinzugefügt (s. ACKERSCHNALLE). Zum Stichwort ADAM werden zahlreiche Belege nachgetragen, deren Zuordnung wiederum unklar bleibt.

(Bilder: ehemalige Preußische Staatsbibliothek, z. Z. in der Biblioteka Jagiellonska Kraków, Libri impr. c. n. mss. 2° 35, Sp. 45 und 175)

Berthold Friemel, 15. Februar 2006

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