Das Kulturnetz Kassel lädt zu einem Vortrag Heinz Röllekes über das Kasseler Grimm-Erbe ein:
Der Vortrag steht im Kontext des Kasseler Reformprozesses, siehe andere Beiträge.
Das Bild auf der Einladung gibt Anlass zum Kopfschütteln. Aber vielleicht ist es ironisch gemeint? Jedenfalls zeigt es ein als ‚Schreibschrank aus der Familie Grimm‘ und Relikt der ‚Märchenwerkstatt‘ auf der Expo 2000, im Grimm-Museum und zur Zeit auf einer Tournee in Japan präsentiertes Möbelstück, das allerdings mit den Brüdern Grimm so gut wie nichts zu tun hat. Im Forum der HNA wurde dies ausführlich diskutiert. Da dieses Ausstellungsstück symbolisch für die Kasseler Grimm-Probleme stehen kann und die Informationen dazu im Grimmforum noch nicht zu lesen sind, sollte man sie evtl. hier auch zusammenstellen und ergänzen.
Mit diesem meinem Beitrag möchte ich lediglich auf den Kasseler Vortrag von Heinz Rölleke aufmerksam machen. Die Informationen zu dem Schreibschrank sollten anderweitig noch hier zusammengetragen werden. ✍
Droese, 19. April 2006
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Wortmeldung Dr. Lauers
Auf den Schreibsekretär, der auf obigem Bild zu sehen ist, wurde bei der Rölleke-Veranstaltung in Kassel am vorigen Freitag weiter eingegangen. Heinz Rölleke meinte, er wisse nicht, ob der Abbildung des Schreibsekretärs auf der Einladungskarte ein Irrtum oder subtile Ironie zugrundliege. Seit knapp sechs Jahren sei das Möbelstück durch die Ausstellung als Grimm-Schreibschrank auf der Expo berühmt; zahlreiche Photographien von ihm zierten als Reiseandenken Photoalben, vor allem in Japan und den USA, in der Annahme, es handle sich hierbei um den „Märchenschreibtisch“, das kostbarste Möbelstück aus der Grimmschen Märchenwerkstatt. Aus dem HNA-Forum übernehme ich hier noch ein Bild von der Situation, wie der Schreibsekretär auf der Expo Hannover 2000 stand:
(Quelle: http://www.manfred-roeben.com)
Die Presse berichtete damals überregional, das Land Hessen zeige auf der Expo den Schreibschrank der Brüder Grimm. Da es sich um ein Möbelstück handelt, das die Brüder Grimm vermutlich, wenn überhaupt, nur sehr selten zu Gesicht bekamen (es kam in die Familie ihres Schwagers Ludwig Hassenpflugs zu einer Zeit, als sie mit diesem kaum noch Kontakte hatten), geriet die Legende von der „Märchenwerkstatt“ in den letzten Wochen in Kritik, zuletzt durch den „Spiegel“-Artikel von gestern (näheres im HNA-Forum in den Intrigenstadl- und Märchenwunderland-Threads). Auf der Veranstaltung am Freitag meldete sich Dr. Lauer, der Leiter des Brüder Grimm-Museums, zu Wort und äußerte sich zu dem Exponat.
Ich wollte was zu dem Schreibsekretär auf der Expo sagen. Die ganze Wahrheit ist, daß auf der Expo nicht nur der Schreibsekretär aus der Familie Hassenpflug präsentiert worden ist (und das ist auch so in der Beschriftung dargestellt worden), sondern im Zentrum dieser Präsentation standen die Kasseler Handexemplare der „Kinder- und Hausmärchen“ der Brüder Grimm, und auf dem Schreibtisch gab es einige originale Stücke aus dem Nachlaß der Brüder Grimm, die auch ganz klar aus dem Nachlaß stammten. Und das Wort „Märchenwerkstatt“ war sowohl auf der Expo als auch jetzt in dem kleinen Führer durch das Brüder Grimm-Museum, wo wir jetzt zu Leben und Werken der Brüder Grimm 64 Seiten publiziert haben, stand diese „Märchenwerkstatt“ in Anführungszeichen. Und die Präsentation, da mußte man einige Kompromisse auch an solche Ausstellungsmacher auf der Expo machen. Wir waren nicht in der Lage, einen originalen Schreibtisch etwa aus Nürnberg in die Expo hineinzubringen, das wurde abgelehnt. Und die Märchenwerkstatt der Brüder Grimm wurde dann ergänzt, die authentische Märchenwerkstatt, repräsentiert durch die Handexemplare der „Kinder- und Hausmärchen“, die ja im vergangenen Jahr auf unsere Bemühungen hin als Weltdokumentenerbe von der Unesco anerkannt worden sind, diese Handexemplare bekamen dann eine Hülle dieses Hassenpflug-Sekretärs, der ist aber nirgendwo als Möbel der Familie Grimm oder als aus dem direkten Nachlaß der Familie Grimm stammend bezeichnet worden. Das nur zur Korrektur.
Wie der Schreibschrank im einzelnen auf der Expo oder bei anderen Ausstellungsstationen beschriftet wurde, weiß ich nicht (zur Zeit ist er in Japan). In der vor einigen Monaten erschienenen Broschüre „Die Brüder Grimm. Leben und Wirken. Zusammengestellt und kommentiert von Bernhard Lauer“ ist auf S. 60 der Schreibtisch ungefähr in derselben Präsentationsform wie auf der Expo abgebildet, nämlich so wie oben auf dem Einladungsbild (dieses scheint ein Ausschnitt des Bildes in der Broschüre zu sein). In der Broschüre steht dazu ein vierzeiliger Bildtext, der nachfolgend noch zitiert sei.
Bernhard Lauer schrieb: Die „Märchenwerkstatt“ der Brüder Grimm mit Möbelstücken aus Familienbesitz, den Handexemplaren der Ersten Auflage der Märchen und Jacob Grimms Leseglas; dahinter ein Blick in die Marktgasse aus der Wohnung der Brüder Grimm, die im Haus Nr. 17 unweit der ehemaligen Sonnenapotheke mit der Mutter und vier anderen Geschwistern von 1805 bis 1814 lebten. Elektronische Collage von B. Lauer und Daniel Stein. Kassel, 2005.
Weitere Erläuterungen zu den auf dem Bild gezeigten Möbelstücken sind in der Broschüre nicht enthalten.
Nun frage ich Sie:
Wie würden Sie den Wortlaut des Bildtextes hinsichtlich der Provenienz der Möbelstücke verstehen? Und warum erscheint so eine Collage in der Handreichung des Brüder Grimm-Museums mit diesem Text, wenn nicht um zu suggerieren, man habe hier den Arbeitsplatz vor sich, an dem die Märchensammlung entstanden sei? Übrigens trifft es hier ja nicht zu, daß originale Möbelstücke nicht verfügbar waren. Für die Collage hätte man ja durchaus Bilder wirklicher Grimm-Möbel verwenden können. Offenbar geht es doch aber darum, genau dieses Kasseler Möbelstück im Bildgedächtnis des Rezipienten festzubannen mit der Assoziation, es handle sich um das wichtigste Möbelstück der „Märchenwerkstatt“, das nämlich, an dem die Texte zu Papier gebracht wurden. Insofern trifft hier das, was Rölleke sagte, wohl den Nagel vollkommen auf den Kopf – und so geht es nicht, das ist Irreführung mit der Strategie, daß die Mehrheit der Besucher es nicht so genau wissen will und sich gern so ein Möbelstück in der Annahme anschaut, es handle sich um die „Märchenwerkstatt“, ohne weiter nachzufragen oder gar selbst zu recherchieren. Nicht umsonst sind (bzw. waren) im Grimm-Museum auch die Provenienzen weiterer Exponate auf genau dieselbe verschwommene Weise ausgedrückt (oder gar nicht erst angegeben).
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Berthold Friemel, 30. April 2006
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Die HNA zum Rölleke-Vortrag vom 28.April 2006
In der heutigen HNA wird über die Veranstaltung mit Heinz Rölleke berichtet und der Vorgang kommentiert.
Hier zunächst der Bericht:
Grimm-Nachlass für Kassel?
Erben wollen Gegenstände abgeben – Kritik an Grimm-GesellschaftKASSEL. Die Brüder-Grimm-Gesellschaft und das Grimm-Museum haben die Chance, einen umfangreichen Nachlass der Brüder Grimm sowie ihrer Nachkommen zu übernehmen. Die Nachlassliste umfasst mehr als tausend Objekte, vornehmlich Möbel und Haushaltsgegenstände, von denen etwa 15 bis 20 Prozent aus dem Besitz von Jacob und Wilhelm Grimm stammen sollen.
Prof. Hans Brinckmann gab das im Auftrag der Initiativgruppe, die einen Neuanfang der Grimm-Gesellschaft versuchen will, in der Vortragsveranstaltung im Hörsaal des Landesmuseums bekannt, in der Prof. Heinz Rölleke heftige Kritik an der derzeitigen Geschäftsführung der Grimm-Gesellschaft übte. Eingeladen zu der außerordentlich gut besuchten Veranstaltung hatte das Kulturnetz in Verbindung mit dem Literaturhaus und der Goethegesellschaft.
Nach Brinckmanns Worten sind die beiden Nachfahren der Brüder Grimm, die über die Nachlass-Gegenstände verfügen, bereit, die Objekte, zu denen Buffets, Bücherschränke, Bücher, Gemälde, asiatisches Porzellan und andere Haushaltsartikel gehören, nach Kassel zu geben. Der Preis stehe noch nicht fest, müsste aber erschwinglich sein. Brinckmann ist auch sicher, dass man die nötigen Gelder mithilfe von Kulturstiftungen und Bürgerengagement aufbringen könne. Wie Dr. Berthold Friemel von der Berliner Grimm-Sozietät ergänzte, würde das Grimm-Museum mithilfe des Nachlasses erstmals im größeren Umfang die Wohnkultur der Grimm-Familie dokumentieren und inszenieren können.
Im Zentrum der Veranstaltung hatte der Vortrag des Märchenexperten Prof. Heinz Rölleke gestanden, der eine Generalabrechnung mit der Grimm-Gesellschaft vornahm. Er warf ihr Fehler und Versäumnisse vor und beklagte – wie schon im Interview unserer Zeitung -, dass die Gesellschaft andere Grimm-Forscher xxxxxxxxx, und dass sie für sich einen Alleinvertretungsanspruch reklamiere.
Die Kritik zielte insbesondere auf Dr. Bernhard Lauer, der Direktor des Grimm-Museums und Geschäftsführer der Grimm-Gesellschaft ist. Lauer, der sich die Kritik geduldig anhörte, meldete nur in einem Punkt Widerspruch an: Er habe den Schreibsekretär, der im Jahr 2000 auf der Expo gezeigt worden war und dessen Bild auch die Einladung zu der Veranstaltung zierte, nicht fälschlich als Schreibtisch der Brüder Grimm ausgegeben. Vielmehr habe er gewusst, dass der Sekretär aus dem Umfeld der Grimms, der Familie Hassenpflug, stammte. Er habe lediglich das Arrangement in der Expo-Vitrine, zu der auch die Erstausgabe der Kinder- und Hausmärchen gehörte, mit Blick auf die Veranstaltung „Märchenwerkstatt“ genannt.
Der leitende Redakteur Dirk Schwarze schreibt dann unter „Kommentar: Einmaliger Vorgang“:
Die Brüder-Grimm-Gesellschaft ist in eine derartige Krise geraten, dass sich die vereinsinterne Opposition andere Kulturgesellschaften als Plattform suchen musste, um ihre massive Kritik öffentlich vorzutragen. Das Kulturnetz bot in Zusammenarbeit mit dem Literaturhaus und der Goethegesellschaft diese Plattform und ermöglichte so diesen einmaligen Vorgang.
Als Anwalt hatte man sich den angesehenen Grimm-Experten Prof.Heinz Rölleke geholt. Der erledigte die ihm übertragene Aufgabe mit großer Sorgfalt. Es war, als würde er ein schier endloses Sündenregister aufblättern. Schnell wurde klar, dass ein Neuanfang nötig ist, wenn dei Grimm-Gesellschaft auch außerhalb Kassels eine Zukunft haben will. Umso mehr verwundert, dass die Generalkritik nicht mit größerer Gelassenheit vorgetragen wurde. Schließlich hätte es gut getan, stärker in die Zukunft zu blicken, wozu die Aussicht, den Grimm’schen Haushaltsnachlass nach Kassel zu holen, genügend Anlass geboten hätte.
Dass Dr.Bernhard Lauer die in vielen Teilen auf ihn gemünzte Kritik ruhig anhörte, forderte selbst seinen Widersachern Respekt ab. Lauer gab damit aber auch zu verstehen, dass er sich weiter dem Kampf um die Führung der Grimm-Gesellschaft stellt.
dsc
Aanzumerken wäre noch, daß die HNA den Bericht mit einem Photo schmückt, auf dem Dr.Lauer, neben einer Plastik der Viehmännin stehend, eine japanische Publikation in die Kamera hält.
Dazu die Unterschrift:
Zuwachs fürs Brüder-Grimm-Museum?
Unser Archivbild zeigt den Leiter des Brüder-Grimm-Museums, Dr.Bernhard Lauer, mit einer japanischen Übersetzung anlässlich der Wanderausstellung „Die Märchenwelt der Brüder Grimm“
Dieser Beitrag wurde vom Forumsadministrator im Hinblick auf die 2008 / 2009 stattgefundene juristische Auseinandersetzung um Äußerungen zu Zugangsverhältnissen für die Wissenschaft im Grimm-Museum Kassel teilweise unlesbar gemacht.
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Rudolf Theisen, 1. Mai 2006
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Der Extra-Tip über die kommende Samstagssitzung
Der heutige Extra-Tip berichtet über die bevorstehenden Wahlen am kommenden Samstag
Extra-Tip schrieb:
Grimm und die „Klofrauen“
Am Samstag entscheidende Sitzung der Grimm-Gesellschaft im Kasseler Rathaus
An diesem Samstag fallen wichtige Entscheidungen bei der Brüder Grimm-Gesellschaft in Kassel. Da geht es nämlich um die Neuwahl des Vorstandes. Zur Wahl stehen der frühere Präsident von Kassels Uni, Dr. Hans Brinckmann, der vor allem von Gegnern des bisherigen Museums-Leiters, Dr. Bernhard Lauer, vorgeschlagen wurde.Von KLAUS BECKER
KASSEL – Unterstützt wird Brinckmann, der zugleich das documenta-Forum leitet vom „Kultur-Netzwerk“ der Kasseler SPD, einer Gründung des früheren OB Wolfram Bremeier. Auch OB Bertram Hilgen hat sich für seinen Parteifreund Brinckmann stark gemacht. Auch stehen im Lager von Brinckmann Mitglieder des Rotary-Clubs in Kassels. Mitglieder, wie Wirtschaftsprüfer Reiner Ludewig und der frühere evangelische Dekan Wittekind haben ihre Clubfreunde aufgefordert der Brüder Grimm-Gesellschaft beizutreten und Hans Brinckmann zu unterstützen. Das ist eine Initiative, die innerhalb der „Service-Clubs“ sofort auf Widerspruch stieß. Die frühere Landtagsabgeordnete Eve Rotthoff äußerte sich in einem Brief an Wirtschaftsprüfer Ludewig und wies darauf hin, dass die „Service-Clubs“ neutral und unparteiisch sein müssen und sich nicht in die Angelegenheiten anderer Vereine und Gesellschaften einmischen sollten. Sie forderte dagegen alle beteiligten Clubs auf, „Objektivität und Neutralität“ zu bewahren.
Im Mittelpunkt der Kontroverse: Der langjährige Leiter des Brüder-Grimm-Museums in Kassel, Dr. Bernhard Lauer. Letzter Punkt der Kampagne war ein Artikel, der im letzten „Spiegel“ erschien. Dr. Lauer wurden darin zahlreiche Vorwürfe gemacht, er habe Publikationen angekündigt, die noch gar nicht erschienen seien. Im üblichen „Spiegel-Stil“ wurde Lauer als eine Art von „Hochstapler und Aufschneider“ abgekanzelt. Ein Artikel, der jedoch auch bei Politikern nicht unbedingt Begeisterung auslöste. Denn dort hieß es auch: „Vitrinenwächter und Klofrauen“ seien in dem „Akademischen Club“ aufgenommen worden. Vorgeworfen wurde Lauer auch, dass er zu enge Kontakte zur mittelständischen Wirtschaft in Kassel pflege, zum Beispiel zur Brauerei „Knallhütte“, deren enge Bindung an das Lebenswerk der Brüder Grimm den Spiegel-Schreibern offensichtlich nicht bekannt ist. Unbekannt war bisher auch, dass die Brüder Grimm-Gesellschaft, zu der seit vielen Jahren besonders engagierte Bürger aus Kassel gehören, die einst vom Kasseler Verleger Karl Vötterle gegründet wurde, ein „Akademischer Club“ sein soll.
Angesichts der immer heftiger werdenden Attacken in der Brüder Grimm-Gesellschaft hat sich inzwischen ein anderer Kandidat für die Präsidentschaft gemeldet. Der Berliner Unternehmer Dieter Staubach, der seit vielen Jahren engagierte Förderer der Berliner Kulturszene, und durch familiäre Bindungen eng an Nordhessen gebunden. Er lehnt eine parteipolitische Ausrichtung der Brüder Grimm-Gesellschaft entschieden ab und möchte die Grimm-Gesellschaft weiter als Treffpunkt für Grimm-Begeisterte aus allen Regionen und Generationen über alle Parteigrenzen hinaus erhalten. Nach den heftigen, teils hasserfüllten Debatten in Kassel, hat der Kandidat aus Berlin am Samstag die Chance, sich endlich dem Kasseler Publikum vorzustellen.
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Rudolf Theisen, 3. Mai 2006